Die Unterstützung für Second Victims
Literatur für Second Victims
Willkommen in der Online-Bibliothek zum Second-Victim-Phänomen
Das Second Victim Phänomen beschreibt die Belastungen und Traumata, die medizinisches Fachpersonal (z.B. Ärzte, Pflegekräfte) nach einem Fehler oder einem unerwarteten negativen Ausgang in der Patientenversorgung erlebt.
Neben den Patienten („First Victims“) sowie den Angehörigen, leiden oft auch Ärzte, Pflegekräfte und anderes medizinisches Personal unter anderem an Schuldgefühlen, Stress und Isolation.
In unserer Online-Bibliothek findest du eine Auswahl an wissenschaftliche Arbeiten, die dieses Phänomen umfassend beleuchten und die sich über die letzten Jahrzehnte stetig weiterentwickelt haben. Unsere Bibliothek beginnt mit den Grundlagen des Begriffs „Second Victim“ und reicht bis hin zu den aktuellsten Studien aus Deutschland und Österreich. Die hier bereitgestellten Publikationen sind nach Erscheinungsdatum sortiert, um die Entwicklung des Verständnisses und die Fortschritte in der Forschung nachvollziehbar zu machen, Diese Liste wird kontinuierlich erweitert.
Im Jahr 2000 prägte Dr. Albert W. Wu in einem kurzen Artikel, der im British Medical Journal veröffentlicht wurde, erstmals den Begriff „second victim“. Dies war das erste Mal, dass das Konzept explizit in der medizinischen Literatur erwähnt wurde und eine Diskussion anstieß, die die zukünftige Auseinandersetzung mit, damals noch limitiert auf, medizinische Fehler und deren Auswirkungen auf das Gesundheitspersonal prägen sollte.
Wu beschrieb die emotionale Belastung, die medizinische Fehler für Ärzt:innen mit sich bringen, und wies darauf hin, dass Mediziner:innen oft zu „second victims“ werden – sie leiden nicht nur unter der Schuld ihrer Fehler, sondern werden auch von ihren Kolleg:innen isoliert und beurteilt. In diesem kurzen, aber bahnbrechenden Artikel öffnete Wu die Tür für eine breitere Auseinandersetzung darüber, wie Gesundheitssysteme Ärzt:innen unterstützen können, die mit den Folgen von Patient:innenschäden zu kämpfen haben.
Seither hat sich in der Second Victim Forschung viel getan. Aber, diese Arbeit legte den Grundstein für alle zukünftige Studien, Begriffsdefinitionen und Initiativen, die die Sicherheit, sowohl der Patient:innen als auch des medizinischen Personals verbessern sollen. Du willst mehr Informationen zum Begriff Second Victim lies bei WU (2000) mehr dazu.
Nach Wu’s Anstoß im Jahr 2000 folgte die akademische Auseinandersetzung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Second Victim Phänomen.
Der folgenden Artikel befasst sich mit den emotionalen Auswirkungen, die medizinische Fehler auf Ärzte und Pflegepersonal haben, und zeigt die Notwendigkeit von Unterstützungssystemen auf.
Der Artikel beschreibt, wie Führungskräfte im Gesundheitswesen Programme entwickeln können, um betroffene Mitarbeiter emotional zu unterstützen. Trotz der hohen Belastung durch Fehler fehlt es oft an entsprechenden Unterstützungsangeboten. Einige medizinische Einrichtungen und Versicherungsgesellschaften haben bereits Programme entwickelt, die erfolgreich emotionale Unterstützung bieten.
Das Ziel ist es, Führungskräften im Gesundheitswesen Denkanstöße und Strategien zu geben, um diese Art von Unterstützung zu verbessern. Lesen Sie bei Andrew et al. (2008) mehr zum Thema.
Áuch Scott et al., 2009, haben sich der Frage gewidmet wie Mitarbeiterinnen des Gesundheitswesens nach unerwünschten Patient:innenereignissen geholfen werden kann.
Dabei wurden die Erfahrungen von 31 Gesundheitsfachkräften untersucht, die nach negativen Patientenereignissen als „second victims“ betroffen waren.
Diese Studie untersucht detailliert den emotionalen Genesungsprozess von Second Victims in sechs Phasen: Chaos und Reaktion, intrusive Gedanken, Wiederherstellung der persönlichen Integrität, Durchlaufen von Untersuchungen, emotionale Erste Hilfe und schließlich „Weitermachen“.
Scott et al. beleuchten auch die Notwendigkeit einer strukturierten Unterstützung, um Fachkräften zu helfen, schneller zu gesunden.
Diese Arbeit war wegweisend für die Entwicklung institutioneller Hilfsprogramme. Die Ergebnisse zeigen, dass institutionelle Programme entwickelt werden könnten, um Fachkräfte besser zu unterstützen und negative Karriereauswirkungen zu mindern.
Nachdem jahrelang ausschließlich im Anglo-amerikanischen Raum geforscht wurde, war es Anfang der 2020er Jahre Zeit das Second Victim Phänomen auch im deutschsprachigen Raum zu erforschen und damit anzuerkennen!
Die Studie von Strametz et al. 2021 führte zur Entwicklung und Validierung des deutschsprachigen Second Victim- Fragebogens, der die Inzidenz und die Auswirkungen des Second-Victim-Phänomens im deutschsprachigen Raum erfasst.
Ziel ist es, umfassendere Daten über die Verbreitung und die emotionalen Folgen dieses Phänomens zu sammeln. Mit diesem Instrument sollen unter anderem zukünftige Unterstützungsprogramme zielgerichteter entwickelt und die Wirkung bereits implementierter Programme evaluiert werden. Sie haben Interesse mehr zu erfahren?
Nach der Validierung des deutschsprachigen Fragebogens konnte mit der Datenerhebung hinsichtlich der Second Victimisierungsrate einzelner Berufsgruppen begonnen werden:
Diese Studie untersucht das Second-Victim-Phänomen bei jungen deutschen Ärzten. Etwa 59 % der befragten Ärzte berichteten von mindestens einem traumatisierenden Vorfall in ihrer Karriere. Besonders bei Patientenschäden und unerwarteten Todesfällen ist das Risiko hoch. Frauen waren dabei häufiger betroffen als Männer, und 12 % der Betroffenen gaben an, dass ihre Erholungszeit länger als ein Jahr dauerte oder sie nie vollständig genesen sind. Die Studie fordert gezielte Maßnahmen, um Ärzten nach traumatisierenden Vorfällen psychologische Unterstützung zu bieten.
Dass Pflegekräfte besonders stark von den emotionalen Folgen eines Fehlers betroffen sind, wurde spätestens nach dieser Forschungsarbeit klar.
Diese Studie beleuchtet die spezifischen Herausforderungen, denen sich Pflegekräfte als Second Victims stellen müssen, und hebt Maßnahmen hervor, die ihnen helfen, die psychologischen Folgen zu bewältigen. Die Studie unterstreicht die Bedeutung gezielter Unterstützungsangebote für diese Berufsgruppe. Zu beiden Studien finden Sie hier Texte.
Dass Peer Support eine der wichtigsten Maßnahmen nach unerwünschten Vorfällen ist, wissen wir! Aber wie kann man Peer Support in der eigenen Organisation implementieren?
Diese umfassende Anleitung beschreibt detailliert, wie Peer-Support-Programme in medizinischen Einrichtungen zur Unterstützung von Second Victims etabliert werden können.
Der Leitfaden geht auf die Notwendigkeit emotionaler Unterstützung für Fachkräfte nach schwerwiegenden Ereignissen ein und zeigt die Schritte zur Implementierung eines zentralisierten, dezentralen oder hybriden Modells für Peer Support auf. Er behandelt auch den Aufbau von Infrastruktur, die Schulung von Peer Supportern und die Sicherstellung der Vertraulichkeit der Gespräche. Peer Support wird als „emotionale Erste Hilfe“ beschrieben und ist ein entscheidender Teil des Adverse Event Managements, der sowohl die Sicherheit der Mitarbeiter als auch der Patienten gewährleistet.
Seys et al. erweitert das Konzept von Second Victims, indem sie die Auswirkungen von Fehlern nicht nur auf das beteiligte Personal, sondern auch auf das gesamte Gesundheitssystem untersucht. Dazu führen sie den Begriff des „Third Victim“ ein, der die Organisation selbst umfasst, die durch die finanziellen und reputationsschädigenden Folgen eines Vorfalls belastet wird. Diese Perspektive unterstreicht die Notwendigkeit systemweiter Veränderungen in der Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen.
Das Team rund um Prof. Strametz forscht weiter und validiert das SVESTR (Second Victim Experience and Support Tool – Revised), ein wichtiges Tool zur Messung der Second-Victim-Erfahrung und der Wirksamkeit von Unterstützungsprogrammen.
Das Tool dient der Erhebung von Daten und bietet gleichzeitig eine Grundlage für die Verbesserung von Supportsystemen im deutschsprachigen Raum.
Die Validierung dieses Instruments zeigt, wie wertvoll es für die Erfassung und den Umgang mit den Folgen von Fehlern in der medizinischen Praxis ist.
Die Studie von Vanhaecht et al., liefert eine umfassende, evidenzbasierte Definition des Second-Victim-Phänomens und fasst internationale Forschungsergebnisse zusammen.
Der Konsens, der durch die Arbeit von Vanhaecht et al. geschaffen wurde, bietet eine solide Grundlage für zukünftige Studien und die Entwicklung von Unterstützungsstrategien für betroffene Fachkräfte weltweit.
Diese Studie untersucht die spezifischen Herausforderungen, mit denen sich Notärzte in Deutschland als Second Victims nach einem Fehler auseinandersetzen.
Die hohe Arbeitsbelastung und der unmittelbare Druck, Entscheidungen unter extremen Bedingungen zu treffen, verschärfen die psychologischen Auswirkungen bei Notärzten. Die Studie fordert gezielte Unterstützung und Nachsorge für diese besonders gefährdete Gruppe von Gesundheitsdienstleistern.
Auch in Österreich wird in diesem Feld geforscht. So findet derzeit die Datenerhebung zu SEVID A4 statt die sich mit dem Second Victim Phänomen unter österreichischem Rettungspersonal befasst. Die Ergebnisse finden Sie nach Veröffentlichung natürlich hier.
Der Verein Second Victim wurde 2021 in Österreich gegründet. Seither wird auch fleißig geforscht um einerseits österreichische Prävalenzen zu erheben und andererseits, um Unterstützungskonzepte zu erforschen.
So geschehen unter anderem in dieser Studie, die das Second-Victim-Phänomen in einem Krankenhaus in Österreich untersucht. Vor der Einführung des Unterstützungssystems KoHi (Kollegiale Hilfe) gaben 43 % der befragten Mitarbeiter an, mindestens einmal unter dem Second-Victim-Syndrom gelitten zu haben.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass das Phänomen in Österreich weniger stark ausgeprägt ist als in Deutschland (ein Ergebnis, dass durch andere österreichische Studien ge-challenged wird), gleichzeitig wird die Notwendigkeit von Programmen wie KoHi klar unterstrichen.
Aktuell forscht auch der Verein Second Victim in Zusammenarbeit mit dem WiHelP Institut zu Second Victims in Österreich.
Hier findest du die derzeitige Forschungsarbeit zum Phänomen in Österreich!
Aktuell bezeichnet man: „Jede Fachkraft im Gesundheitswesen, die direkt oder indirekt an einem unerwarteten unerwünschten Patientenereignis, einem unbeabsichtigten Fehler in der Gesundheitsversorgung oder einer Patientenschädigung beteiligt ist und die zur betroffenen Person wird, indem sie ebenfalls beeinträchtigt ist“1 , als Second Victim.
Rösner et. al., (2024)
Übersetzung der internationalen konsensbasierten Definition mittels Delphi-Methode:
VollzugriffStrametz et al. (2021) – Entwicklung
Hier findest du wichtige Ergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum:
VollzugriffStrametz et al. (2021) – German Physicians
Hier gibts den Volltext zur Forschung von Prof. Strametz:
VollzugriffStrametz et al. (2021) – German Nurses
Hier findest du den Volltext zur Forschung von Prof. Strametz:
Vollzugriff- Rösner, H., Bushuven, S., Ettl, B., Heininger, S., Hinzmann, D., Huf, W., … Strametz, R. (2024). Second Victim: Übersetzung der internationalen konsensbasierten Definition mittels Delphi-Methode. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. doi: 10.1007/s40664-024-00553-0 ↩︎